Der Alte Garten

Am Eingang zum Buxheimer Weg auf der rechten Seite lag der alte Garten. Ihr habt ihn so genannt und alle Buben aus unserer Straße. Wem er gehörte, wußten wir nicht so recht; er hat oft seinen Besitzer gewechselt. Ein kleines gemauertes Gartenhaus stand an der Straßenseite, von Flieder- und Hollerbüschen umwachsen. Dieses Häuschen wurde vor Jahren während der Ferienzeit regelmäßig von einem Großvater und seinen Enkeln bewohnt, wie mir Karg Mariele erzählte. Hochstämmige, alte Apfelbäume, die im Herbst viele gelbe und rote Äpfel mit einem besonders herzhaften Aroma trugen, beschatteten Gras und niederes Gesträuch. Im hinteren Teil des Gartens befand sich ein Schöpfbrunnen mit einem gemauerten Brun-nenbecken. Wasser gab er schon lange nicht mehr. Zur Feigel-Seite hin war der Garten offen, zur Straßenseite mit einem Drahtzaun begrenzt, der vom üppig rankenden wilden Wein und Brennesseln fast erdrückt wurde. Im Frühjahr und den ganzen Sommer hindurch war ein Duften und Vogelsingen im alten Garten, wie man es am ganzen Buxheimer Weg nicht mehr fand.

Für euch Buben barg dieser wuchernde wilde Flecken ungezählte Spielmöglichkeiten und es war vor allem niemand da, der euch daraus vertrieben hätte. Auch Oma war darin daheim, holte sich im Frühjahr die ersten jungen Brennesseln zur Teebereitung und klaubte im Herbst die köstlichen Äpfel zusammen, die sie in Kübeln mit ihrem kleinen Handwagerl heimfuhr.

Als man mir erzählte, daß der alte Garten verkauft und bald bebaut würde, begann ich, mir nach und nach Wildsträucher, die sich im Laufe der Zeit dort angesiedelt hatten, auszugraben. Auf diese Weise rettete ich Heckenrosen, Hartriegel, Holler, Haselnuß, wilden Wein, eine kleine Eiche und etliche andere Sträucher, die ich nicht mit Namen kenne, von denen mir nur bekannt ist, daß sie im Frühjahr weiß und üppig blühen.

Ich habe sie in Böhming an unsere Straßenseite gepflanzt und so lebt dort ein Teil des alten Gartens weiter - ein Stück euerer Kindheit.

Gretel Resch im Sommer 1988

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